Persönlicher Nachruf an die Keiler-Familie

Liebe Keiler-Familie,
am vergangenen Sonntag wurde ich vom Team nach dem Sieg gegen den USC Konstanz aus der ersten Mannschaft verabschiedet. Für mich war das ein großer, emotionaler Moment. In den folgenden Sätzen möchte ich vielen Leuten sagen und erklären, warum dieser Verein und dieser Sport in den letzten 16 Jahren so besonders für mich waren.
„Als ich mit 15 Jahren aus Russland nach Deutschland kam und kein Wort Deutsch konnte, hatte ich niemanden außer meine Familie. Mit dem ASV habe ich eine zweite Familie dazu gewonnen“ – dieser Satz steht auf dem Plakat für die Kampagne Integration durch Sport, dessen Gesicht ich geworden bin. Er ist nach wie vor aktuell und erfüllt mich nach wie vor mit Stolz. In meinen ersten Trainingseinheiten bei den Botnanger Volleyballern stand ich als Jugendlicher auf dem Feld mit Botnanger Legenden wie Steffen Grötzinger, Vladimir Geier, Thorsten Hauptvogel, Stephan Blanke und vielen mehr. Ich war eingeschüchtert und habe zu den großen Jungs aufgeschaut. Sie waren erwachsene, gestandene Männer, die damals die Oberliga gerockt haben und ihr Herz auf dem Feld gelassen haben. Damals dachte ich: wenn ich groß bin, will ich auch mal auf dem Niveau vor einer vollen Tribüne in der BSH spielen.
Einige Jahre später habe ich als Stammspieler mit dem unfassbar starken Team um Dirk Mehlberg, Lukas Beckebans, Lennart Pfaller, Nick Schulz und co. die Oberliga so richtig aufgemischt. Kein einziges verlorenes Spiel, nur drei verlorene Sätze. Diese Saison war der Grundstein für den heutigen sportlichen Erfolg. Denn danach ging es für die erste Herrenmannschaft nur noch bergauf. Durchmarsch in der Regionalliga, drei Siege in der Dritten Liga …. Saisonabbruch und Corona Pandemie. Nach der sportlichen Pause in der Regionalliga Saison bin ich in der ersten Saisonvorbereitung auf die Dritte Liga wieder zum Team gestoßen. Damals noch voller Ungewissheit, ob es überhaupt für einen Kaderplatz reicht. Denn vor einigen Jahren habe ich von einem meiner Trainer gehört, dass spätestens in der Oberliga für mich auf jede Angreiferposition Schluss sei. Für mehr reiche meine Physis nicht aus. Diesen Satz habe ich mir immer wieder ins Gedächtnis gerufen, wenn ich Zusatzschichten im Kraftraum oder in der Halle geschoben habe. Meine Motivation war es mir selbst und den anderen zu zeigen, dass sich Einsatz auszahlt. „Hard work beats talent, if talent doesn’t work“ war die Marschroute. Am Ende der Vorbereitung hatte ich einen Kaderplatz und war da schon stolz wie Oskar. In der abgebrochenen Saison habe ich auch meine nächsten persönlichen Meilensteine erreicht: erster Einsatz als Ergänzungsspieler in der Dritten Liga, erster Einsatz als Stammspieler und erster Sieg. Das war einfach groß. Nach dem Saisonabbruch wollte ich aufhören, aber nach dem großen Umbruch im Team konnte ich die Mannschaft, die mir die Chance gegeben hat, meine sportlichen Träum zu erfüllen, nicht im Stich lassen. Vor der Spielzeit haben uns viele abgeschrieben: nach sieben Abgängen sei die Mannschaft nicht mehr konkurrenzfähig, nicht stark genug – Spieler für Spieler gingen die potentiellen Neuzugänge zur Konkurrenz aus der Stuttgarter Umgebung, den Teams, die heute in der Tabelle hinter uns stehen. Auch dieses Mal war die Voraussage etwas nicht schaffen zu können, die Zusatzmotivation für mich.
Mit der ersten MVP Medaille und dem nahezu sicheren Klassenerhalt geht für mich mein persönliches sportliches Märchen zu Ende. Ich konnte ein wichtiger Baustein vom größten sportlichen Erfolg des Vereins sein, der für mich viel mehr als nur ein Sportklub ist. In diesem Verein habe ich meinen besten Freund und meinen engsten Freundeskreis gefunden, emotionale Achterbahnfahrten durchgemacht, so oft gefallen und immer wieder aufgestanden. Dieser Sport und dieser Verein waren und sind für mich die beste Schule des Lebens – wann auch immer Dinge schief gehen, heul nicht rum, krempel die Ärmel hoch, gib Gas und es werden gute Dinge passieren. Und wenn du nicht allein weiterkommst, sind dein Team und deine Freunde für dich da. Bei alle den Tief- und Hochpunkten meines Lebens, war der ASV eine der ganz wenigen Konstanten und dafür bin ich sehr dankbar.
In diesen Text habe ich nach meinem Geschmack schon zu viel Epos reingepackt. Doch eine Sache steht noch aus: nach dem Spiel gegen Konstanz wurde ich als eine „ASV-Legende“ verabschiedet. Ich persönlich will mich nicht so bezeichnen, weil ich mich einfach nur als einen Kerl sehe, der sein Herz und Seele sowie jede Menge Arbeit in die Sachen gepackt hat, die ihm sehr viel Freude bereitet hat. Aber es ist ganz gewiss, dass so bezeichnet zu werden, mich verdammt stolz macht. Danke, Keiler-Familie
In Liebe, euer Roman